Unternehmerische Entscheidung – Dreh- und Angelpunkt der betriebsbedingten Kündigung
Unternehmerische Entscheidung bei betriebsbedingter Kündigung: Voraussetzungen, Darlegungslast und Grenzen der gerichtlichen Kontrolle kompakt erklärt.
ARBEITSRECHT
Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.
7/22/20252 min lesen
1. Begriff und rechtlicher Rahmen
Kern jeder betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine organisatorische Maßnahme des Arbeitgebers, die dauerhaft Beschäftigungsbedarf entfallen lässt.
Diese Entscheidung unterliegt der unternehmerischen Freiheit aus Art. 12, 14 GG; Gerichte prüfen nur, ob sie tatsächlich existiert und nicht willkürlich ist.
Ein bloßer Wunsch zu kündigen oder allgemeines Sparen genügt nicht; erforderlich ist ein vorgelagerter Organisationsentschluss.
2. Typische Erscheinungsformen
Standort- oder Betriebsteilschließung: Produktion wird aufgegeben, Filiale geschlossen.
Personalstrukturänderung: Wegfall einer Hierarchieebene, Automatisierung mit dauerhaft weniger Personal.
Aufgabenverlagerung im Konzern: Tätigkeiten gehen auf Schwester- oder Muttergesellschaft über, solange kein Rechtsmissbrauch vorliegt.
3. Dringlichkeit und Ultima-Ratio-Prinzip
Dringende betriebliche Erfordernisse bestehen, wenn der Arbeitgeber sein Ziel nicht durch mildere Mittel (Versetzung, Kurzarbeit, Abbau von Überstunden) erreichen kann.
Die Entscheidung selbst braucht nicht wirtschaftlich zwingend zu sein; auch Gewinnoptimierung ist zulässig, solange sie sachlich nachvollziehbar ist.
4. Darlegungslast des Arbeitgebers im Prozess
Entscheidung konkretisieren
– Datum, Inhalt, verantwortliches Gremium.Prognose belegen
– Zahlen zu Auftrags- oder Umsatzrückgang, Effizienzgewinnen; Darstellung, wie viele Stellen entfallen.Kausalität herstellen
– Aufzeigen, dass spätestens zum Ende der Kündigungsfrist kein Beschäftigungsbedarf mehr besteht.Alternativen ausschließen
– Dokumentation von Prüfungen zu Versetzung, Teilzeit, Qualifizierung.
Fehlen diese Bausteine, scheitert die Kündigung häufig schon an der ersten Stufe der gerichtlichen Prüfung.
5. Grenzen gerichtlicher Kontrolle
Gerichte untersuchen nicht Wirtschaftlichkeit oder Zweckmäßigkeit, sondern nur:
Gibt es eine konkrete, vor Kündigung gefasste Entscheidung?
Ist sie nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich?
Wird durch ihre Umsetzung der Arbeitsplatz des Gekündigten wirklich dauerhaft entbehrlich?
6. Praxistipps für Arbeitgeber
Entscheidung frühzeitig schriftlich fixieren und Zahlenmaterial sichern.
Betriebsrat nach § 102 BetrVG umfassend unterrichten.
Sozialauswahl sorgfältig dokumentieren; Namensliste erhöht Rechtssicherheit.
Bei Konzernverlagerungen Transparenz wahren, um Missbrauchsvorwurf zu entkräften.
7. Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer
Kündigungsschutzklage binnen 3 Wochen erheben.
Entscheidung und Prognose auf Plausibilität prüfen (existiert ein klarer Organisationsplan?).
Sozialauswahl und Alternativen (Versetzung, Teilzeit) hinterfragen.
8. Fazit
Die unternehmerische Entscheidung ist das Fundament jeder betriebsbedingten Kündigung. Sie darf frei getroffen werden, muss jedoch greifbar, nachvollziehbar und vor allem vor Ausspruch der Kündigung existieren. Wer Entscheidung, Prognose und Dringlichkeit sauber belegt, stärkt die Rechtssicherheit – wer hier Nachlässigkeiten zeigt, riskiert Prozessniederlagen.