Siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht bleibt bestehen – selbst nach nachträglicher Vertragsaufhebung
Das aktuelle BGH-Urteil zum siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht schafft klare und praxisnahe Regeln für den Umgang mit nachträglichen Vertragsaufhebungen. Siedlungsunternehmen haben so ein wirksames Instrument zum Schutz der Agrarstruktur und Verkäufer kennen die rechtlichen Grenzen einer Aufhebung i
Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.
7/19/20252 min lesen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seiner Entscheidung vom 11. April 2025 (V ZR 194/23) klargestellt, dass das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht eines Siedlungsunternehmens auch dann wirksam bleibt, wenn Verkäufer und Käufer einen landwirtschaftlichen Kaufvertrag vor der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts rückwirkend aufheben – sofern die Genehmigung der Aufhebung erst nach Zugang der Vorkaufsrechtsausübung erfolgt. Das Urteil schafft Rechtssicherheit rund um landwirtschaftliche Grundstückstransaktionen und gibt Kommunen und Siedlungsunternehmen eine gestärkte Position bei der Sicherung agrarstruktureller Interessen.
Hintergrund: Was ist das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht?
Das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht (§ 4 Reichssiedlungsgesetz – RSiedlG) erlaubt Siedlungsunternehmen, beim Verkauf größerer landwirtschaftlicher Flächen innerhalb ihres Bezirks in den Vertrag einzusteigen. Ziel ist der Schutz landwirtschaftlicher Strukturen und die Verhinderung von Grundstücksspekulation. Das Vorkaufsrecht wird im Genehmigungsverfahren nach dem Grundstückverkehrsgesetz von der zuständigen Behörde ausgeübt.
Wichtige Voraussetzungen:
Grundstück ≥ 0,5 ha (in Hessen durch Landesverordnung abgesenkt)
Genehmigungsbedürftige Veräußerung (idR Grundstück > 2 ha, selten niedriger je nach Landesrecht)
Kein Ausschluss- oder Verhinderungsgrund nach dem Gesetz
Die Entscheidung im Überblick
Kernpunkte des BGH-Urteils:
Das Vorkaufsrecht kann selbst dann bestehen bleiben, wenn der ursprüngliche Kaufvertrag rückwirkend aufgehoben wird, sofern die Vertragsaufhebung erst nach Zugang der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts genehmigt wird.
Die Genehmigung des Aufhebungsvertrages entfaltet keine Rückwirkung zulasten des Siedlungsunternehmens, wenn dessen Rechtsposition durch die Ausübung des Vorkaufsrechts schon verfestigt war.
Die Interessen der Verkäufer werden durch die zwingende Warnfunktion eines behördlichen Zwischenbescheids geschützt – für eine Rücknahme der Verkaufsabsicht bleibt ein Zeitfenster, bevor das Vorkaufsrecht wirkt.
Wichtig für die Praxis
Verkäufer und Käufer können das Vorkaufsrecht nur bis zum Zugang der behördlichen Mitteilung durch eine Vertragsaufhebung „beseitigen“.
Wird das Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt, entsteht eine gefestigte rechtliche Stellung zugunsten des Siedlungsunternehmens, die durch nachträgliche Vertragsaufhebungen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Ein Rücktritt oder eine Vertragsaufhebung nach Zugang der behördlichen Vorkaufsrechts-Mitteilung ist grundsätzlich unwirksam gegen das Siedlungsunternehmen.
FAQ zum Urteil – Häufige Fragen
Wann kann das Vorkaufsrecht noch beseitigt werden?
Nur bevor der behördliche Bescheid über die Vorkaufsrechtsausübung zugeht, ist eine einvernehmliche Vertragsaufhebung möglich.
Gilt das auch für Aufhebungen durch Vertreter ohne Vertretungsmacht?
Ja, wenn die Genehmigung der Aufhebung erst nach Zugang des Vorkaufsbescheids erfolgt, bleibt die Wirkung des Vorkaufsrechts bestehen.
Warum ist das so wichtig für die Agrarstruktur?
Das Urteil verhindert, dass das gesetzliche Vorkaufsrecht durch nachträgliche formale Gestaltungen unterlaufen werden kann und sichert Siedlungsunternehmen eine verlässliche Position zur Wahrung landwirtschaftlicher Interessen.
Bedeutung für Praxis und Rechtssicherheit
Stärkung gemeinnütziger Siedlungsunternehmen: Diese können gezielt auf den Erwerb schützenswerter Flächen vertrauen und werden vor „strategischen“ Vertragsaufhebungen durch die Parteien geschützt.
Verkäuferfreundlichkeit bleibt gewahrt: Durch die vorgeschriebene Vorwarnung via Zwischenbescheid bleibt ausreichend Zeit, auf drohende Ausübung des Vorkaufsrechts zu reagieren und ggf. noch die Verkaufsabsicht zu ändern.
Rechtssicherheit für alle Beteiligten: Das Risiko von langen Rechtsstreitigkeiten um die Wirksamkeit des Vorkaufsrechts wird minimiert.
Fazit
Das aktuelle BGH-Urteil zum siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht schafft klare und praxisnahe Regeln für den Umgang mit nachträglichen Vertragsaufhebungen. Siedlungsunternehmen haben so ein wirksames Instrument zum Schutz der Agrarstruktur und Verkäufer kennen die rechtlichen Grenzen einer Aufhebung ihres Verkaufsbeschlusses – Planungssicherheit für alle Parteien.