Schwebezeit im Windenergie-Mietvertrag: Kündigungsausschluss, Vertragsbindung und Wartezeit
BGH-Urteil zur Schwebezeit bei Windenergie-Mietvertrag: Welche Rechte und Pflichten haben Grundstückseigentümer und Anlagenbetreiber? Übersicht zur Kündigung, Vertragsbindung, Wartezeit, AGB-Prüfung und Praxisfolgen für Grundstücksnutzung.
Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.
7/20/20252 min lesen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 12. März 2025 (Az.: XII ZR 76/24) ein Grundsatzurteil zur Vertragsgestaltung bei Nutzungs- bzw. Mietverträgen rund um die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen gefällt. Im Zentrum standen zentrale Fragen zur Laufzeit, zur Befristung, zum Kündigungsausschluss und zur Zulässigkeit längerer Wartezeiten ohne Nutzungsentgelt.
Kernaussagen des Urteils
Schwebezeit-Konstellation und Vertragsbindung
Wird der Beginn einer festen Vertragslaufzeit (z.B. 20 Jahre) an ein ungewisses Ereignis wie den Baubeginn einer Windenergieanlage geknüpft, handelt es sich um einen Vertrag unter aufschiebender Bedingung nach § 158 Abs. 1 BGB.
Während dieser sogenannten „Schwebezeit“ besteht bereits eine verbindliche Vertragsbindung, die fest vereinbarte Mietzeit startet jedoch erst mit Eintritt der Bedingung (z.B. Baubeginn/Inbetriebnahme).
Bis zum Eintritt dieser Bedingung ist die Vertragslaufzeit unbestimmt – hier wären grundsätzlich auch ordentliche Kündigungen möglich.
Ausschluss der ordentlichen Kündigung bis zum Bedingungseintritt
Trotz der Schwebezeit kann das Recht zur ordentlichen Kündigung für diese bewusste Wartephase wirksam ausgeschlossen werden – und zwar auch durch stillschweigende oder konkludente Regelungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).
Nach objektiver Auslegung ist in typischen Windenergie-Nutzungsverträgen (§ 8 und § 9 des Vertragsmusters) das Kündigungsrecht für die unbefristete Zeit ausgeschlossen, solange ein Rücktrittsrecht für die (Nicht-)Erteilung der Genehmigung eingeräumt ist.
Ein Rücktrittsrecht ersetzt kein Kündigungsrecht, sondern besteht unabhängig davon.
Angemessenheit des Kündigungsausschlusses und Wartezeit
Der temporäre Kündigungsausschluss benachteiligt den Grundstückseigentümer nicht unangemessen (§ 307 BGB), solange:
Das Grundstück vor Baubeginn weiterhin eigenwirtschaftlich nutzbar bleibt (z.B. landwirtschaftliche Nutzung).
Der Eigentümer im Fall der endgültigen Versagung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung binnen eines angemessenen Zeitrahmens (i.d.R. fünf Jahre, ggf. verlängerbar bei Rechtsmitteln) vom Vertrag zurücktreten kann.
Nach Baubeginn entsteht ein verbindlicher Anspruch auf die vereinbarte Nutzungsentschädigung.
Praktische Relevanz für Grundstückseigentümer und Betreiber
Für Grundstückseigentümer: Sie müssen sich darauf einstellen, bei Windenergieprojekten während der langen Schwebezeit an den Vertrag gebunden zu sein – aber ohne Zahlungsverpflichtung des Betreibers. Dennoch bleibt das Grundstück vor Baubeginn weiter nutzbar.
Für Anlagenbetreiber: Planungssicherheit wird über die Bindung des Eigentümers auch in langwierigen Genehmigungsphasen erreicht, ohne Gefahr einer kurzfristigen ordentlichen Kündigung und damit der Gefährdung des Gesamtprojekts.
Praxis-Tipp: Bei der Gestaltung von Nutzungsverträgen im Bereich der erneuerbaren Energien sollten die Regelungen zur Wartezeit, zum Rücktrittsrecht und zur Kündigung eindeutig, transparent und angemessen ausgestaltet werden.
Fazit
Das BGH-Urteil sorgt für wichtige Klarheit bei der Vertragsgestaltung von Windenergieprojekten: Ein stillschweigender Kündigungsausschluss in der Schwebezeit ist zulässig, solange Rücktrittsrechte fair geregelt sind und keine einseitige Benachteiligung vorliegt. Damit wird ein sachgerechtes Gleichgewicht zwischen Investitionsschutz des Betreibers und Absicherung des Grundstückseigentümers geschaffen.