Provision in Kryptowährung: Was das BAG-Urteil vom 16.04.2025 (10 AZR 80/24) bedeutet
BAG 16.04.2025: Provision in Ether (ETH) zulässig – aber nur als Sachbezug und nur oberhalb des unpfändbaren Nettoeinkommens. Was Arbeitgeber beachten müssen.
ARBEITSRECHT
Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.
7/22/20252 min lesen
1. Kurzüberblick des Falls
Eine Mitarbeiterin hatte Anspruch auf monatliche Provision, die arbeitsvertraglich in Ether (ETH)ausgezahlt werden sollte. Das Unternehmen zahlte stattdessen Euro, die Beschäftigte klagte die Übertragung von 19,194 ETH nach. Das BAG entschied:
Kryptowährung ist kein Geld, kann aber Sachbezug nach §107 Abs.2 GewO sein.
Der unpfändbare Teil des Lohns muss weiter in Euro ausgezahlt werden.
Übersteigt der Sachbezug die Pfändungsfreigrenze, ist die Vereinbarung insoweit unwirksam; der überschießende Betrag ist in Geld zu leisten.
2. Kernaussagen des BAG
2.1 Krypto als Sachbezug
§107 Abs.1 GewO verlangt Barlohn, lässt aber nach Abs.2 Sachbezüge zu, sofern sie im objektiven Interesse des Arbeitnehmers liegen.
Die vertraglich vereinbarte Übertragung von ETH ist grundsätzlich zulässig, weil sie eine verwertbare Vermögensposition vermittelt.
2.2 Pfändungsfreigrenze als harte Grenze
ETH-Bezug darf nicht den pfändbaren Teil des Arbeitsentgelts überschreiten (§107 Abs.2 S.5 GewO).
Folge bei Verstoß: Teilnichtigkeit – bis zur Freigrenze muss Euro fließen; nur darüber hinaus darf in Krypto gezahlt werden.
2.3 Teilbarkeit bewahrt die Vereinbarung
Da Ether beliebig teilbar ist, kann der Arbeitgeber den Sachbezug anteilig kürzen, ohne die gesamte Krypto-Klausel zu verlieren.
2.4 Offene Fragen
Ob zusätzlich AGB-Kontrolle (§§305 ff. BGB) greift, ließ das BAG offen.
Denkbar ist eine 25%-Schranke analog zu widerruflichen Zulagen, um ein „Kernentgelt“ in Geld zu sichern.
3. Praxisfolgen für Arbeitgeber
Klauselgestaltung
Krypto ausdrücklich als freiwilligen Sachbezug benennen.
Auszahlungsvorbehalt einbauen: „Nur soweit der Wert des Sachbezugs den pfändbaren Betrag nicht übersteigt“.
Wechselkurs & Fälligkeitszeitpunkt eindeutig definieren.
Berechnungsschritte
Monatliches Nettoeinkommen ermitteln.
Unpfändbaren Teil nach §850c ZPO in Euro auszahlen.
Nur den absoluten Überschuss in ETH transferieren.
Dokumentation & Nachvollziehbarkeit
Wallet-Adresse schriftlich bestätigen lassen.
Wechselkursquelle dokumentieren (z.B. CoinMarketCap-Snapshot).
Lohnabrechnung muss Krypto-Wert in Euro ausweisen (steuer- und SV-Pflichten!).
Steuern & SV
Krypto-Sachbezug ist geldwerter Vorteil, unterliegt LSt und Sozialabgaben in Euro.
Bei volatilen Kursen zeitnah übertragen, um Nachzahlungen zu vermeiden.
4. Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer
Vertrag prüfen: Ist die Krypto-Klausel transparent? Gibt es eine Euro-Absicherung?
Bei Nichtauszahlung: Anspruch zügig geltend machen; Blockchain-Transaktion als Erfüllungsnachweis verlangen.
Bei Pfändungslage: Nur Beträge oberhalb der Freigrenze dürfen in ETH fließen.
6. Ausblick
Das Urteil öffnet die Tür für tokenisierte Vergütungssysteme, setzt aber deutliche Leitplanken: Solange Euro-Mindestschutz und Nachvollziehbarkeit gewährleistet sind, bleibt Spielraum für innovative Vergütungsmodelle – von Start-ups bis Konzern-Bonussystemen. Unternehmen, die Kryptowährungen nutzen wollen, sollten ihre Arbeitsverträge jetzt anpassen und interne Prozesse für Kursbewertung, Pfändungsgrenzen und Reporting etablieren.
Stand: 22.07.2025 – ohne Gewähr, ersetzt keine individuelle Rechtsberatung