Individualvereinbarungen und „Change of Control“-Klauseln in gewerblichen Mietverträgen – Neue Hürden und Klarstellungen
OLG-Urteil Frankfurt 2025: Individualvereinbarungen und „Change of Control“-Klauseln in Gewerbemietverträgen – hohe Hürden für das Aushandeln, Musterverträge meist als AGB behandelt. Alle Praxistipps, rechtlichen Hintergründe und Folgen für Vermieter und Mieter.
Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.
7/19/20252 min lesen
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 21. Februar 2025 (2 U 35/24) zentrale Fragen zur Wirksamkeit von Individualvereinbarungen und sogenannten „Change of Control“-Klauseln in gewerblichen Miet- und Pachtverträgen entschieden. Die Entscheidung liefert Vermietern, Mietern und praktisch tätigen Rechtsanwälten klare Maßstäbe für das Aushandeln und den Einsatz von vorformulierten Vertragsbedingungen.
Hintergrund und Fälle des Urteils
Im Mittelpunkt stand ein Pachtvertrag für Hotelräume, der auf dem Musterformular von „Haus & Grund“ basierte. Strittig war:
Wer trägt die Verantwortung für vorformulierte Klauseln wie die Zustimmungspflicht bei Gesellschafter- oder Geschäftsführerwechsel („Change of Control“)?
Wann ist eine Vertragsklausel wirklich „im Einzelnen ausgehandelt“ (Individualvereinbarung) oder bleibt AGB?
Kernpunkte des Urteils
1. Individualvereinbarung: Anforderungen an das tatsächliche Aushandeln
Für eine Individualvereinbarung im Sinne von § 305 I 3 BGB muss der Verwender die Klausel in ihrem gesetzesabweichenden Kern inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellen – es reicht nicht, nur darüber zu „verhandeln“.
Der Vertragspartner muss die effektive Möglichkeit haben, die Klausel zu beeinflussen oder alternative Texte einzubringen.
Wer ein branchenübliches Muster wie das von „Haus & Grund“ nutzt und ausfüllt, gilt als Verwender und muss sich die darin enthaltenen Bedingungen zurechnen lassen.
2. „Change of Control“-Klauseln meist unwirksam
Weit gefasste Zustimmungspflichten („Change of Control“ bei jedem Inhaber- oder Gesellschafterwechsel) in AGB sind im Gewerbemietrecht in der Regel unzulässig, sofern kein erheblicher Einzelfall mit berechtigtem Interesse an einem bestimmten Mieter vorliegt.
Solche Klauseln stellen eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, weil sie weit über das gesetzliche Leitbild hinausgehen und die Verwendungsfreiheit der Mietsache unzulässig beschränken.
3. Trennschärfe: Änderung der Gesellschafter oder Geschäftsführung ist kein Vertragsbruch
Der Wechsel von Gesellschaftern oder Geschäftsführern bei einer GmbH ist kein Austausch des Vertragspartners und weder eine zustimmungsbedürftige Untervermietung noch eine unbefugte Gebrauchsüberlassung an Dritte.
Die Kündigung des Miet- oder Pachtvertrags wegen fehlender Zustimmung oder Anzeige solcher Wechsel ist – bei fehlendem individuellen Aushandeln – nicht gerechtfertigt.
Praxistipps für Vermieter, Mieter & Fachleute
Vermieter: Vorformulierte Musterklauseln bleiben im Zweifel AGB – für Individualabreden ist ein aktives Aushandeln und konkrete Protokollierung im Vertrag erforderlich.
Mieter: Zustimmungsvorbehalte im Hinblick auf Gesellschafter- oder Geschäftsführerwechsel kritisch prüfen – einseitige Klauseln meist unwirksam, sofern kein dringlicher Einzelfall vorliegt.
Beide Seiten: Bei langfristigen Verträgen empfiehlt sich die explizite Dokumentation von individuellen Wünschen und Verhandlungsverläufen.
Anwälte: Sorgfältig die Voraussetzungen für wirksame Individualvereinbarungen dokumentieren und vorformulierte Musterklauseln rechtssicher anpassen.
Bedeutung für die Vertragsgestaltung
Das Urteil schafft Klarheit für alle Parteien: Allgemeine Zustimmungsvorbehalte in Musterverträgen sind unwirksam, solange keine echte Individualvereinbarung im Sinne eines Aushandelns stattgefunden hat. Damit wird die Rechtssicherheit in gewerblichen Miet- und Pachtverhältnissen gestärkt und die Entwicklung hin zu mehr Transparenz und Fairness gefördert.
Fazit
Das OLG Frankfurt stellt hohe Anforderungen an den Nachweis echter Individualvereinbarungen und setzt enge Grenzen für die Zulässigkeit von „Change of Control“-Klauseln in gewerblichen Miet- und Pachtverträgen. Wer vorformulierte Vertragsmuster verwendet, kann sich nicht auf ein individuelles Aushandeln berufen, solange der Vertragspartner keine echte Einflussmöglichkeit hatte. Ein wichtiger Leitfaden für die Vertragsgestaltung im Gewerberaummietrecht.