Kündigungsfristen für GmbH-Geschäftsführer: Was nach dem BGH-Urteil vom 5. 11. 2024 gilt
BGH II ZR 35/23: Kündigungsfristen nach § 622 BGB gelten auch für Fremd-Geschäftsführer. Erfahren Sie, welche Fristen jetzt maßgeblich sind – inklusive Praxistipps für Unternehmen.
Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.
7/23/20252 min lesen
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. November 2024 schafft Rechtssicherheit für Fremd-Geschäftsführer: Die zwingenden Mindestkündigungsfristen des § 622 Abs. 1 und 2 BGB gelten entsprechend, auch wenn der Anstellungsvertrag mit einer GmbH & Co. KG abgeschlossen wurde.
1 | Warum § 622 BGB und nicht § 621 BGB?
§ 621 BGB regelt freie Dienstverhältnisse ohne Arbeitnehmerschutz.
§ 622 BGB statuiert soziale Mindestfristen, die zum Nachteil des Dienstnehmers unverzichtbar sind.
Der BGH widerspricht damit ausdrücklich einer BAG-Entscheidung aus 2020 und folgt der herrschenden Meinung des Schrifttums.
2 | Konkrete Fristen in der Praxis
Ordentliche Kündigungen müssen sich an den folgenden, vom Beschäftigungsalter abhängigen Fristen orientieren:
Unter 2 Jahren Betriebszugehörigkeit: 4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende.
Mindestens 2 Jahre: 1 Monat zum Monatsende.
Mindestens 5 Jahre: 2 Monate zum Monatsende.
Mindestens 8 Jahre: 3 Monate zum Monatsende.
Mindestens 10 Jahre: 4 Monate zum Monatsende.
Mindestens 12 Jahre: 5 Monate zum Monatsende.
Mindestens 15 Jahre: 6 Monate zum Monatsende.
Mindestens 20 Jahre: 7 Monate zum Monatsende.
Eine vertragliche Abweichung ist nur zugunsten des Geschäftsführers zulässig; jede Benachteiligung ist unwirksam.
3 | Außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB)
Zwei-Wochen-Frist: Ab Kenntnis des wichtigen Grundes muss die Kündigung binnen 14 Tagen erklärt werden.
Der BGH betont, dass diese Frist auch für vertraglich definierte „wichtige Gründe“ gilt.
Wird verspätet gekündigt, bleibt der Vertrag wirksam; der Vergütungsanspruch läuft weiter (§ 615 S. 1 BGB).
4 | Besonderheiten bei der GmbH & Co. KG
Die Mindestfristen gelten, obwohl der Geschäftsführer formal mit der KG kontrahiert und nicht mit der Komplementär-GmbH.
Gremien wie Aufsichtsrat oder Gesellschafterversammlung dürfen kündigen, müssen aber die gesetzlichen Fristen einhalten.
Kompetenzübertragungen ändern nichts am Fristbeginn; maßgeblich ist der Zeitpunkt des Beschlusses.
5 | Praxistipps für die Vertragsgestaltung
Deutlicher Verweis auf § 622 BGB im Vertrag verhindert spätere Streitigkeit.
Interne Prozesse definieren, um bei wichtigen Gründen die Zwei-Wochen-Frist sicher einzuhalten (Dokumentation der Kenntnis!).
In Konzern- oder KG-Strukturen Zuständigkeiten klar regeln, um Verzögerungen zu vermeiden.
Bei langer Betriebszugehörigkeit frühzeitig Nachfolgeregelungen planen, da Kündigungsfristen bis zu sieben Monaten betragen können.
6 | FAQ
Kann ein Geschäftsführer die gesetzlichen Fristen abbedingen?
Nein. Verkürzungen zu seinen Ungunsten sind nichtig; längere Fristen sind zulässig, solange sie nicht unangemessen benachteiligen.
Gilt § 622 BGB auch für Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer?
Das Urteil betrifft Fremd-Geschäftsführer ohne Mehrheitsbeteiligung. Mehrheits-GF gelten meist als arbeitgeberähnlich; dort kann abweichend geregelt werden.
Was passiert bei Nichteinhaltung der Fristen?
Die Kündigung wirkt erst zum gesetzlichen Termin, sodass Vergütung, Tantiemen und Nebenleistungen fortlaufen.