Interimsmanager und Kündigungsschutz – was gilt rechtlich?

Interimsmanager & Kündigungsschutz: Status, Risiken der Scheinselbstständigkeit, Befristung, Wartezeit und Praxistipps für rechtssichere Verträge klar erklärt.

Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.

7/22/20252 min lesen

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Einleitung

Interimsmanager schließen kurzfristig Führungslücken, retten Projekte oder steuern Krisen. Doch je nach Vertragsgestaltung schwanken ihre arbeitsrechtlichen Rechte zwischen voller Kündigungsfreiheit und strengem Kündigungsschutz. Der folgende Leitfaden zeigt, wann welches Regime greift und wie beide Seiten rechtssicher handeln.

1 Begriff und Einsatzgebiete

Interimsmanagement bedeutet die zeitlich befristete Übernahme von Führungsaufgaben durch einen externen Spezialisten – etwa bei Restrukturierungen, M&A-Vorhaben oder zur Überbrückung von Vakanz­zeiten. Anders als Beratende setzen Interimsmanager Konzepte operativ im Unternehmen um.

2 Die zwei dominierenden Vertragsmodelle

  1. Direktes Modell

    • Dienst- oder Werkvertrag unmittelbar zwischen Unternehmen und Interimsmanager.

  2. Indirektes Modell

    • Dreiecksbeziehung: Provider ↔ Unternehmen (Kundenvertrag) und Provider ↔ Interimsmanager (Einsatzvertrag).

Beide Modelle zielen darauf, den Manager als selbstständigen Unternehmer zu führen und damit außerhalb des Arbeitsrechts zu halten.

3 Arbeitnehmerstatus: Scheinselbstständigkeit als Risiko

Obgleich Verträge häufig „Freie Mitarbeit“ vorsehen, zählt ausschließlich die gelebte Praxis. Ein Arbeitsverhältnis liegt nahe, wenn der Manager

  • in Arbeitsorganisation und Weisungsstrukturen eingegliedert ist,

  • Kernaufgaben des Tagesgeschäfts übernimmt,

  • kein unternehmerisches Risiko trägt (Tagessatz statt Erfolgshonorar).

Bei dauerhafter Vakanzvertretung oder enger Einbindung entscheiden Sozialgerichte zunehmend für abhängige Beschäftigung und verneinen Selbstständigkeit.

4 Kündigungsschutz – drei Szenarien

4.1 Selbstständiger Dienstleister

Besteht echte unternehmerische Unabhängigkeit, greift kein Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Die Parteien können extrem kurze Kündigungsfristen vereinbaren oder reine Projektlaufzeiten definieren.

4.2 Arbeitnehmer des Unternehmens oder Providers

Wird Scheinselbstständigkeit festgestellt oder bewusst ein Arbeitsvertrag geschlossen, gelten:

  • Wartezeit von sechs Monaten bis zum Beginn des allgemeinen Kündigungsschutzes (§1 Abs.1 KSchG).

  • Bei befristeten Projekten ist das ordentliche Kündigungsrecht auf die Sachgründe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes beschränkt (§15 Abs.3 TzBfG).

  • Sozialauswahl ist bei betriebsbedingter Kündigung oft entbehrlich, weil vergleichbare Mitarbeiter fehlen.

4.3 Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung

Wird das indirekte Modell ohne Erlaubnis als „Leistungsverschaffung“ praktiziert, kann kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zum Einsatzunternehmen entstehen (§§9, 10 AÜG). Der Manager erhält dann denselben Kündigungsschutz wie interne Angestellte.

5 Empfehlungen für Unternehmen

  • Zweck, Dauer und Eigenverantwortung des Auftrags klar dokumentieren; Weisungen auf Ergebnisziele beschränken.

  • Keine betrieblichen Standard-IT-Prozesse, Zeiterfassung oder Urlaubs­genehmigungen, die den Eindruck eines Angestelltenverhältnisses verstärken.

  • Bei Projektvertretungen einen befristeten Arbeitsvertrag erwägen, um Scheinselbstständigkeit auszuschließen und §14 Abs.1 Nr.3 TzBfG als Sachgrund zu nutzen.

  • Vor Einsatz das DRV-Statusfeststellungsverfahren (§7a SGB IV) beantragen, wenn Unsicherheit besteht.

6 Tipps für Interimsmanager

  • Verhandeln Sie Vertragspartner, Vergütung und Kündigungsfristen ausdrücklich; vermeiden Sie rein zeitbezogene Vergütung ohne Erfolgsbezug, wenn Sie selbstständig bleiben wollen.

  • Halten Sie eigene Berufs-E-Mail-Adresse, Equipment und Marketingauftritt vor, um Unternehmerrisiko zu dokumentieren.

  • Bei enger Einbindung früh prüfen, ob eine Festanstellung vorteilhafter ist (Haftungsprivilegien, Sozialversicherung).

Fazit

Kündigungsschutz für Interimsmanager hängt nicht vom Titel, sondern vom tatsächlichen Statusab. Unternehmen sichern Flexibilität, wenn sie klare Projektziele, begrenzte Laufzeiten und Weisungsfreiheit vereinbaren. Überschreitet der Einsatz jedoch die Grenzen zur dauerhaften, weisungsgebundenen Mitarbeit, greift das volle Arbeits- und Kündigungsschutzrecht – mit Wartezeit, Befristungsregeln und möglicher Sozialauswahl. Ein sauberer, realitätstreuer Vertrag plus gelebte Unabhängigkeit sind daher das beste Risikomanagement für beide Seiten.