Ende des „Solarbooms“ und unionsrechtswidrige Schiedsklauseln – Ursachen, Konsequenzen, Investitionsschutz

BGH-Urteil März 2025: Schiedsvereinbarungen in EU-Investitionsschutzfällen unionsrechtswidrig – Ende des „Solarbooms“ durch nationale Gesetzesänderungen, keine Vollstreckung internationaler Schiedssprüche mehr möglich. Alle Hintergründe zur neuen Rechtslage für Investoren und erneuerbare Energien.

Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.

7/19/20252 min lesen

blue solar panel
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Mit dem Beschluss vom 27. März 2025 (I ZB 64/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine zentrale Frage zur Investitionssicherheit erneuerbarer Energien und der Durchsetzung internationaler Schiedssprüche in Europa geklärt. Das Urteil zieht klare Grenzen für Investoren, Betreiber von Solaranlagen und Staaten: Die unionsrechtswidrige Streitbeilegungsklausel im Energiecharta-Vertrag verhindert die Vollstreckung von Schiedssprüchen zwischen EU-Staaten. Besonders betroffen sind Investoren in die Solarbranche, die auf Bestandsschutz und internationale Schiedsverfahren gesetzt hatten.

Hintergrund: Das Ende des Solarbooms

  • 2005: Die Tschechische Republik beschließt ein umfangreiches Fördergesetz für erneuerbare Energien mit festen Einspeisevergütungen und Steuerbefreiungen.

  • Ab 2008 sorgt ein Preisverfall bei Photovoltaik-Modulen für einen beispiellosen Investitionsboom im Solarsektor.

  • Ende 2010 reagiert der Staat mit Einschränkungen der Förderung – laut den Investoren ein schwerwiegender Eingriff in den Bestandsschutz ihrer Investitionen.

  • Investoren rufen internationale Schiedsgerichte an und berufen sich auf Verträge wie die Energiecharta (ECT) und bilaterale Investitionsschutzabkommen.

Der Kern des Urteils

1. Schiedsvereinbarungen: Unionsrecht geht vor

  • Schiedsklauseln, die Investoren in Intra-EU-Streitigkeiten den Gang zu internationalen Schiedsgerichten eröffnen, sind nach der Rechtsprechung des EuGH (Achmea, Komstroy) unionsrechtswidrig.

  • Die Unwirksamkeit dieser Klauseln betrifft nicht nur Entscheidungen über die Hauptsache (z.B. Schadensersatz), sondern auch etwaige Kostenentscheidungen der Schiedsgerichte.

  • Ohne eine wirksame Schiedsvereinbarung gibt es keine Grundlage für die Durchsetzung von Schiedssprüchen – auch nicht für Kostenregelungen zwischen den Parteien.

2. Kein Bestandsschutz für Kostenentscheidungen

  • Selbst wenn ein Schiedsgericht zur Kostenregelung eigenständig entscheidet, entfällt auch deren Vollstreckung, wenn der Hauptsache-Schiedsspruch wegen Unionswidrigkeit nicht vollstreckt werden kann.

3. Investitionsschutz innerhalb der EU ausgebremst

  • EU-Mitgliedstaaten sind zur effektiven Anwendung von Unionsrecht verpflichtet.

  • Investoren können sich nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, um trotzdem eine (teilweise) Durchsetzung solcher Schiedssprüche zu erreichen.

FAQ zum Urteil

Was bedeutet das Urteil für erneuerbare Energien-Investoren?
Der Investitionsschutz über Schiedsklauseln zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten ist nicht mehr durchsetzbar. Investoren müssen auf innerstaatliche Gerichte vertrauen.

Gilt das Urteil auch für laufende Verfahren?
Ja, die unionsrechtliche Unwirksamkeit betrifft alle Intra-EU Investor-Staat-Schiedsverfahren – unabhängig vom Streitgegenstand.

Was können Investoren nun tun?
Investoren in EU-Staaten sollten ihre Risiken sorgfältig prüfen und auf den rein nationalen Rechtsschutz setzen. Internationale Schiedsverfahren bieten keinen Bestandsschutz mehr.

Bewertung und Auswirkungen

  • Rechtsklarheit: Das BGH-Urteil stärkt die Bindung an das Unionsrecht und macht die Rechtsprechung des EuGH auch für Investitionsschutzfälle bindend.

  • Investitionsfolge: Die Rechtsträger der erneuerbaren Energienbranche können sich bei politischen Kursänderungen innerhalb der EU nicht mehr auf den Bestandsschutz durch internationale Schiedgerichtsverfahren verlassen.

  • Relevanz für zukünftige Projekte: Wer heute in erneuerbare Energien investiert, muss die politische und rechtliche Entwicklung auf EU-Ebene verstärkt im Blick behalten.

Fazit

Das BGH-Urteil 2025 markiert die endgültige Abkehr vom internationalen Investitionsschutz in EU-Staaten durch Schiedsverfahren. Für den Solarsektor und andere energieintensive Branchen bedeutet dies einen Paradigmenwechsel: Klare, unionsrechtlich konforme Verträge und nationales Rechtssystem stehen im Vordergrund – internationale Schiedsklauseln verlieren auch im Kostenbereich ihre Wirkung. Deutschland und die Europäische Union setzen so Prioritäten für einen „Solarboom“ unter dem Schutz des EU-Binnenmarkts, nicht internationaler Schiedsgerichte.