Die 6-monatige Wartezeit – das müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen

Sechsmonatige Wartezeit nach § 1 KSchG: Beginn, Unterbrechungen, Ende und Kündigungs­möglichkeiten während dieser „gesetzlichen Probezeit“ kompakt erklärt.

ARBEITSRECHT

Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.

7/22/20252 min lesen

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1. Was ist die Wartezeit?

  • Der allgemeine Kündigungs­schutz greift erst nach sechs Monaten ununterbrochener Beschäftigung im selben Betrieb (§ 1 Abs. 1 KSchG).

  • Diese Frist wirkt wie eine gesetzliche Probezeit: Der Arbeitgeber kann Leistung und Verhalten prüfen und innerhalb dieser Zeit ohne soziale Rechtfertigung kündigen.

  • Grenzen bleiben: Kündigungen dürfen weder willkürlich noch diskriminierend, sitten- oder treuwidrig sein.

2. Beginn des Sechs-Monats-Countdowns

  • Maßgeblich ist der rechtliche Vertragsbeginn (0:00 Uhr des vereinbarten Starttags), unabhängig vom Datum des Vertragsschlusses oder der tatsächlichen Arbeitsaufnahme.

  • Fällt der Start auf einen Sonn- oder Feiertag oder ist der Arbeitnehmer krank, läuft die Frist trotzdem.

  • Vorbeschäftigungen beim selben Arbeitgeber werden angerechnet, z. B. ein unmittelbar vorausgehendes Ausbildungs­verhältnis.

3. Wartezeit vs. vertragliche Probezeit

  • Die Wartezeit ist gesetzlich fix und kann nur zugunsten des Arbeitnehmers verkürzt oder abbedungen werden.

  • Eine vertragliche Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB beeinflusst den Kündigungs­schutz nicht, sondern lediglich die Kündigungsfrist (zwei Wochen).

  • Fehlt eine Probezeitregelung, gilt dennoch die gesetzliche Wartezeit – der Kündigungs­schutz entsteht erst nach sechs Monaten.

4. Unterbrechungen und deren Auswirkungen

  • Tatsächliche Unterbrechungen (Krankheit, Urlaub, Streik) lassen die Frist weiterlaufen, weil das Arbeitsverhältnis rechtlich fortbesteht.

  • Rechtliche Unterbrechungen (Beendigung und neuer Vertrag) setzen die Frist grundsätzlich zurück.

  • Beim Betriebsübergang wird die bisherige Beschäftigungszeit dem neuen Inhaber zugerechnet.

  • Leiharbeitszeiten zählen nicht, weil das Arbeitsverhältnis zum Verleiher besteht, es sei denn, Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren ausdrücklich eine Anrechnung.

5. Kündigungen während der Wartezeit

  • Eine Kündigung muss dem Arbeitnehmer spätestens am letzten Tag der sechs Monate zugehen, sonst gilt bereits allgemeiner Kündigungs­schutz.

  • § 193 BGB (Fristverlängerung bei Sonn- und Feiertagen) findet keine Anwendung, da der Fristablauf den Arbeitnehmer schützt.

  • Ein Kündigungs­zugang darf nicht treuwidrig vereitelt werden; geschieht dies, gilt die Kündigung als rechtzeitig zugegangen.

  • Sonder­kündigungs­schutz (Mutterschutz, Schwerbehinderung usw.) gilt auch während der Wartezeit.

  • Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung anzuhören (§ 102 BetrVG); eine unterbliebene Anhörung macht die Kündigung unwirksam.

6. Praxis­tipps

Für Arbeitgeber

  • Kündigungsbedarf frühzeitig prüfen und Zustellung rechtssicher organisieren.

  • Betriebsratsanhörung vollständig dokumentieren.

  • Diskriminierungsfreie Entscheidungsgründe festhalten, um AGG-Risiken zu vermeiden.

Für Arbeitnehmer

  • Sonder­kündigungs­schutz prüfen und bei Verdacht auf Diskriminierung binnen drei Wochen Kündigungs­schutzklage erheben.

  • Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten ansprechen; eine vertragliche Vereinbarung kann den Kündigungs­schutz vorziehen.

7. Fazit

Die sechsmonatige Wartezeit balanciert die Interessen beider Seiten: Arbeitgeber erhalten Evaluations­spielraum, Arbeitnehmer gewinnen danach starken Kündigungs­schutz. Exakte Fristberechnung, Beachtung der Mindestschutz-Regeln und sorgfältige Dokumentation verhindern teure Rechts­streitigkeiten.