Der Projektsteuerungsvertrag: Zweck, Aufbau und rechtliche Fallstricke

Projektsteuerungsvertrag umfassend erklärt: Rechtsnatur, Leistungsumfang, Kernklauseln, Haftung sowie Praxisempfehlungen für Auftraggeber und Projektsteuerer.

Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.

7/25/20253 min lesen

a yellow pipe on the side of a building
a yellow pipe on the side of a building

Ein Bau- oder Immobilienprojekt bindet erhebliche finanzielle Mittel und erfordert koordinierte Entscheidungen vieler Beteiligter. Um Termin-, Kosten- und Qualitätsziele zuverlässig zu erreichen, beauftragen Bauherren häufig einen Projektsteuerer. Dessen Rechte und Pflichten werden in einem Projektsteuerungsvertrag festgelegt. Der folgende Beitrag beleuchtet praxisrelevante Inhalte, Rechtsnatur, typische Problemfelder sowie Empfehlungen für Auftraggeber und Projektsteuerer.

1. Rechtsnatur des Projektsteuerungsvertrags

Die Einordnung des Vertrags richtet sich nach seinem Leistungsschwerpunkt:

  • Dienstvertrag (§§611 ff. BGB): Überwiegen beratende, koordinierende oder kontrollierende Aufgaben ohne konkret geschuldeten Erfolg, handelt es sich um einen Dienstvertrag.

  • Werkvertrag (§§631 ff. BGB): Prägt ein messbares Erfolgsergebnis (z.B. termingerechte und kostenstabile Fertigstellung) den Vertrag, kann er als Werkvertrag qualifiziert werden.

  • Mischformen: Häufig enthält der Vertrag sowohl dienst- als auch werkvertragliche Elemente; maßgeblich ist der Schwerpunkt nach der sog. Schwerpunkttheorie des BGH.

Die Rechtsnatur entscheidet über Abnahme, Vergütung, Verjährung und Haftung.

2. Typischer Leistungsumfang

Ein Projektsteuerer übernimmt im Kern fünf Handlungsbereiche (AHO-Heft 9):

  1. Organisation: Strukturieren der Projektabläufe, Einrichten von Kommunikations- und Entscheidungswegen.

  2. Qualitäten und Quantitäten: Sicherstellen, dass Planungs- und Ausführungsleistungen den vereinbarten Standards entsprechen.

  3. Kosten: Aufstellen, Fortschreiben und Überwachen eines Kostenrahmens.

  4. Termine: Erarbeiten und Aktualisieren von Terminplänen, Einleiten von Gegenmaßnahmen bei Abweichungen.

  5. Verträge und Versicherungen: Vorbereiten von Vergaben, Mitwirkung bei Vertragsabschlüssen, Prüfung von Sicherheiten.

Je nach Beauftragung können zusätzliche Aufgaben hinzukommen, etwa Risikomanagement, Berichtswesen oder Dokumentation.

3. Vertragsstruktur und wesentliche Klauseln

Ein klar gegliederter Projektsteuerungsvertrag umfasst regelmäßig folgende Punkte:

3.1 Vertragsgegenstand

  • Beschreibung des Projekts (Standort, Bauvolumen, Projektziele).

  • Verweis auf Leistungsbilder, z.B. AHO-Heft 9 oder individuelle Leistungslisten.

3.2 Pflichten des Projektsteuerers

  • Detaillierte Auflistung der zu erbringenden Einzelleistungen.

  • Verpflichtung zur regelmäßigen Berichterstattung und Teilnahme an Besprechungen.

3.3 Mitwirkungspflichten des Auftraggebers

  • Bereitstellung erforderlicher Unterlagen.

  • Termingerechte Entscheidungen und Freigaben.

  • Benennung eines Ansprechpartner-Teams.

3.4 Termine und Fristen

  • Rahmenterminplan mit Meilensteinen.

  • Verfahren bei Verzögerungen, Pflicht zur Vorschlagserarbeitung für Gegenmaßnahmen.

3.5 Vergütung

  • Honorarart (Pauschale, Zeithonorar, erfolgsabhängige Komponenten).

  • Zahlungsmodalitäten und Nachweispflichten.

3.6 Haftung und Versicherungen

  • Haftungsumfang nach Dienst- oder Werkvertragsrecht.

  • Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung in angemessener Höhe.

3.7 Kündigung und Laufzeit

  • Ordentliche Kündigungsfristen gem. §621 BGB (Dienstvertrag) oder §649 BGB (Werkvertrag).

  • Regelungen zur außerordentlichen Kündigung bei Pflichtverletzungen.

3.8 Streitbeilegung

  • Gerichtsstand oder Schiedsvereinbarung.

  • Mediation oder Adjudikation als vorgelagerte Eskalationsstufe.

4. Haftung und Gewährleistung

Der Projektsteuerer haftet für Pflichtverletzungen entsprechend der vertraglichen Qualifikation:

  • Dienstvertrag: Haftung für sorgfältiges Tätigwerden; Beweislast beim Auftraggeber.

  • Werkvertrag: Erfolgsgarantie hinsichtlich vereinbarter Ziele; Gewährleistungsfrist fünf Jahre, beginnend mit Abnahme der Leistung.

  • Organisationsverschulden: Unzureichende Koordination kann zu gesamtschuldnerischer Haftung mit anderen Baubeteiligten führen, wenn Schäden dadurch mitverursacht werden.

Eine Begrenzung der Haftung ist möglich, darf jedoch die wesentlichen Kardinalpflichten nicht aushöhlen.

5. Praxisprobleme und Lösungsansätze

5.1 Unzureichende Leistungsbeschreibung

Vage Formulierungen („Koordination aller Beteiligten“) erschweren die Abgrenzung zu Architekten- oder Planerleistungen und bergen Honorar- und Haftungsrisiken. Lösung: detaillierte Leistungslisten mit Verweis auf konkrete Projektphasen.

5.2 Schnittstellenkonflikte

Ohne klare Zuweisung von Entscheidungs- und Informationswegen drohen doppelte Zuständigkeiten. Lösung: Matrix der Verantwortlichkeiten und regelmäßige Abstimmungsrunden.

5.3 Honorarstreitigkeiten

Fehlende Transparenz bei Zeithonoraren oder Nachträgen führt zu Konflikten. Lösung: nachvollziehbare Stundennachweise, definierte Obergrenzen und Änderungsprozesse.

5.4 Terminabweichungen

Bleiben Gegenmaßnahmen des Projektsteuerers aus, kann dies Schadensersatzpflichten auslösen. Lösung: Pflicht zur frühzeitigen Prognose und schriftlichen Empfehlung alternativer Maßnahmen.

6. Empfehlungen für Auftraggeber

  • Frühzeitige Einbindung: Projektsteuerer bereits in der Projektvorbereitung beauftragen, um Kosten- und Terminziele realistisch zu setzen.

  • Vergleich von Referenzen: Nachweis ähnlicher Projekte in Größe und Komplexität einfordern.

  • Regelmäßige Erfolgskontrolle: Meilensteinberichte prüfen und bei Abweichungen unverzüglich reagieren.

7. Empfehlungen für Projektsteuerer

  • Dokumentation: Lückenlose Aufzeichnung aller Entscheidungen sichert Beweislast und Nachweis der Sorgfalt.

  • Risikomanagement: Frühwarnsysteme für Kosten- und Terminrisiken implementieren.

  • Fortbildung: Aktuelle Rechtsprechung zum Werk- und Dienstvertragsrecht sowie zur HOAI verfolgen.

8. Fazit

Der Projektsteuerungsvertrag ist das zentrale Instrument, um komplexe Bau- und Immobilienvorhaben gesteuert zum Erfolg zu führen. Seine rechtliche Einordnung beeinflusst Abnahme, Gewährleistung und Haftung. Eine präzise Leistungsbeschreibung, klare Schnittstellen und geregelte Berichtswege minimieren Risiken für beide Parteien. Sorgfältige Vertragsgestaltung und partnerschaftliche Zusammenarbeit sind daher die Schlüssel für termin- und kostensichere Projekte.