Bereitstellung von Zugtrassen: Mietvertraglicher Mangelfolgeschaden für Eisenbahnverkehrsunternehmen

BGH-Urteil April 2025 stärkt Rechte von Eisenbahnunternehmen: Schadensersatz bei verspäteter Bereitstellung von Zugtrassen, Trassennutzungsvertrag als Mietvertrag und alle praxisrelevanten Folgen für Verkehrsunternehmen und Infrastrukturbetreiber im Überblick.

Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.

7/19/20252 min lesen

A train station with a train on the tracks
A train station with a train on the tracks

Einleitung

Mit Urteil vom 2. April 2025 (XII ZR 15/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Rechte von Eisenbahnverkehrsunternehmen bei Verzögerungen im Schienennetz gestärkt. Konkret geht es um die Frage, ob Schadenersatzansprüche gegen das Eisenbahninfrastrukturunternehmen bestehen, wenn bestellte Zugtrassen zu spät oder nicht vertragsgemäß bereitgestellt werden. Das Urteil zeigt klare Leitlinien zur Rechtsnatur von Trassennutzungsverträgen und der Haftung bei Verspätungen im Schienenpersonenverkehr.

Kernaussagen des BGH-Urteils

  • Mietrecht wird angewandt: Der Vertrag über die Nutzung von Zugtrassen wird als Mietvertrag im Sinne des § 535 BGB eingeordnet. Das Eisenbahninfrastrukturunternehmen muss dem Eisenbahnverkehrsunternehmen die vertraglich vereinbarten Nutzungszeiten und -bedingungen zur Verfügung stellen.

  • Verspätungen als Mangel: Werden Zugtrassen nicht rechtzeitig bereitgestellt, liegt ein rechtlicher Mangel vor. Maßgeblich ist, ob die Verspätungsursache dem Verantwortungsbereich des Infrastrukturanbieters zugeordnet werden kann.

  • Kodierungssystem als Beweiserleichterung: Im Bahnbetrieb eingesetzte Kodierungsrichtlinien zur Erfassung von Verspätungen bieten dem Verkehrsunternehmen Beweiserleichterungen, sofern die Verspätungsursache eindeutig dem Infrastrukturanbieter zuzuordnen ist.

  • Schadensersatz und Entgeltminderung: Das Eisenbahnverkehrsunternehmen kann die Kürzung der Vergütung durch den Auftraggeber im Verkehrsvertrag als Mangelfolgeschaden gegen das Infrastrukturunternehmen geltend machen, soweit die Verspätung in dessen Verantwortungsbereich fällt.

  • Abgrenzung von Einflüssen: Externe Einflüsse (z.B. Unwetter) oder sekundäre Ursachen (wie Folgeverspätungen) führen nicht automatisch zu einer Haftung; hier trägt das Verkehrsunternehmen eine gesteigerte Darlegungslast.

Praktische Auswirkungen des Urteils

Für Eisenbahnverkehrsunternehmen

  • Klare Anspruchsgrundlage für Schadensersatz bei verspäteter Bereitstellung der Infrastruktur.

  • Nutzung der Kodierungen aus dem Betriebsalltag erleichtert die Schadensberechnung.

  • Entgeltkürzungen durch öffentliche Auftraggeber können leichter "durchgereicht" werden, wenn die Ursache beim Infrastrukturunternehmen liegt.

Für Eisenbahninfrastrukturunternehmen

  • Erhöhte Sorgfalt bei der Trassenzuteilung und -bereitstellung erforderlich.

  • Dokumentation von Störungen und deren Ursachen gewinnt an Bedeutung.

  • Externe und sekundäre Störungsursachen müssen sorgfältig und nachvollziehbar kodiert werden, um unnötige Haftungsrisiken zu vermeiden.

Für öffentliche Auftraggeber und die Praxis

  • Vertragsgestaltungen können sich an den BGH-Kriterien für Minderungs- und Malusschablonen orientieren.

  • Die gezielte Zuordnung von Verspätungen für Pönale oder Schadensersatzansprüche gewinnt an Relevanz.

FAQ: Wichtige Fragen zum BGH-Urteil

Ist der Trassennutzungsvertrag ein Mietvertrag?
Ja, der BGH ordnet solche Verträge dem Mietrecht zu. Das bedeutet, alle Rechte und Pflichten inklusive der Mängelhaftung gelten wie im klassischen Mietrecht.

Wann liegt ein mangelhafter Gebrauch vor?
Verspätungen ab einer bestimmten Schwelle, die durch das Infrastrukturanbieter verschuldet sind, gelten als Mangel.

Wie wird der Schaden berechnet?
Der Schaden richtet sich nach den tatsächlich im Verkehrsvertrag vorgenommenen Entgeltkürzungen wegen Verspätungen, soweit sie dem Infrastrukturanbieter zugeordnet werden können.

Wer trägt die Beweislast?
Das Eisenbahnverkehrsunternehmen profitiert von der Kodierung im Betriebsablauf, sofern keine konkreten Einwendungen gegen die Zuordnung der Ursache vorliegen.

Sind Kürzungen durch externe Einflüsse auch ersetzt zu bekommen?
Nein, für externe Einflüsse wie Unwetter oder für sekundär kodierte Ursachen besteht ohne weiteren Nachweis keine Ersatzpflicht.

Bedeutung für die Branche

  • Das Urteil bringt Rechtssicherheit und Planbarkeit für Infrastruktur- und Verkehrsunternehmen.

  • Die Schadensabwicklung wird an bestehende betriebliche Dokumentationen geknüpft und dadurch praktikabler.

  • Öffentliche Verkehrsdienstleistungen profitieren durch stärkere Qualitätsanreize und verlässliche Entschädigungsmechanismen.

Fazit

Das BGH-Urteil bringt Klarheit für alle Beteiligten im Bereich der Schieneninfrastruktur: Kommt es zu verspäteter Bereitstellung von Zugtrassen, haftet das Infrastrukturunternehmen nach den Grundsätzen des Mietrechts und unter Berücksichtigung der bestehenden Kodierungssysteme. Eisenbahnverkehrsunternehmen sollten Verspätungen konsequent dokumentieren und entsprechende Schadensersatzansprüche systematisch verfolgen.