BGH-Urteil zu kollusivem Verhalten und Vergunstmiete beim Wohnraummietvertrag: Was Vermieter und Mieter wissen müssen
BGH-Urteil 2025: Kollusives Verhalten beim Mietvertragsabschluss und „Vergunstmiete“ – Wann sind Wohnraummietverträge wegen Missbrauchs der Geschäftsführervollmacht unwirksam? Praxisrelevante Klarstellungen zu Sittenwidrigkeit, Wissenszurechnung und fairer Vertragsprüfung.
Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.
7/20/20253 min lesen
Das Mietrecht kennt viele Fallstricke – einer der gravierendsten ist das kollusive Zusammenwirken zwischen Vertreter des Vermieters und Mieter. Im März 2025 hat der Bundesgerichtshof (VIII ZR 152/23) grundlegende Klarstellungen zur Sittenwidrigkeit von Verträgen, zur „Vergunstmiete“ nach anfänglicher Mietzahlungsfreistellung und zur Wissenszurechnung bei ungewöhnlich günstigen Mietverträgen getroffen. Das Urteil stärkt Transparenz, Fairness sowie die Rechtssicherheit bei der Gestaltung und Überprüfung von Wohnraummietverträgen insbesondere in Großstädten wie Berlin.
Hintergrund: Umstrittener Mietvertrag mit „Vergunstmiete“
Eine GmbH als Vermieterin hatte einer Mieterin eine sehr große Berliner Wohnung (177 m²) zu extrem günstigen Konditionen (600 € Nettokaltmiete, 1.010 € Bruttomiete) überlassen.
Für mehrere Monate gab es eine vollständige Mietbefreiung („Vergunstmiete“), als Gegenleistung sollte die Mieterin die Wohnung komplett fachgerecht renovieren.
Die Gesellschafter der GmbH warfen ihrem Geschäftsführer vor, gegen ihren Willen und im eigenen Interesse einen für die Eigentümer nachteiligen Vertrag abgeschlossen und so einen Vermögensschaden verursacht zu haben.
Die Klage auf Räumung und das Argument, der Mietvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und kollusiven Zusammenwirkens nichtig, landete beim BGH.
Kernaussagen des BGH-Urteils
Kollusives Zusammenwirken setzt bewussten Missbrauch voraus: Das Zusammenwirken von Vertreter und Mieter zulasten des Vermieters nach § 138 BGB erfordert eine absichtliche Schädigung, die objektiv evident sein muss. Eine pauschale Annahme grob fahrlässiger Unkenntnis genügt nicht.
Keine Wissenszurechnung ohne aktive Vertretung: Das Wissen eines Lebensgefährten oder Mitbewohners darf der Mietvertragspartei nur dann zugerechnet werden, wenn dieser bei Vertragsverhandlungen aktiv als Wissensvertreter eingesetzt wird und dies anhand konkreter Anhaltspunkte belegt ist – ein bloßes Näheverhältnis reicht nicht aus.
Missbrauch der Vertretung und objektive Evidenz: Der Mieter muss den Machtmissbrauch des Geschäftsführers evident erkennen oder sich dieser aufdrängen. Günstige Konditionen (z. B. niedrige Miete, Renovierungsverpflichtung) reichen allein nicht, um von Kollusion oder Rechtsmissbrauch auszugehen.
Vertrauensschutz im Rechtsverkehr: Der BGH betont die Bedeutung des Verkehrsschutzes: Wer mit einem GmbH-Geschäftsführer einen Vertrag schließt, muss nicht – ohne massive Anhaltspunkte – nachforschen, ob dieser im Innenverhältnis korrekt handelt. Sichere Anhaltspunkte müssen vorliegen, damit das Risiko einer Unwirksamkeit wegen Treuwidrigkeit oder kollusiven Verhaltens greift.
Keine konkludente Vertragsbestätigung ohne eindeutigen Willen: Selbst wenn nach Mietstreitigkeiten die Mietzahlungen auf ein neu benanntes Konto erfolgen, ist allein dadurch keine automatische Vertragsbestätigung nach § 141 BGB anzunehmen.
Praktische Bedeutung für Vermieter und Mieter
Für Vermieter:
Sittenwidrige und zu günstige Mietverträge sind schwierig anfechtbar – es müssen klare Anhaltspunkte für einen Missbrauch der Vertretungsmacht vorliegen.
Bei Verdacht sollten Gesellschafter frühzeitig eingreifen und Geschäftsführern eindeutige Weisungen erteilen sowie alle Vermietungsschritte dokumentieren.
Für Mieter:
Vertragsverhältnisse bleiben bestehen, solange nicht nachgewiesen werden kann, dass der Mieter aktiv in einem evidenten Missbrauch der Vertretungsmacht verstrickt war.
Die Verpflichtung zu einer Gegenleistung (wie komplette Renovierung) schließt einen Missbrauchsverdacht oft aus, sofern die Bedingungen nachvollziehbar sind.
Für die Praxis:
Wissenszurechnung unter Lebensgefährten oder Ehegatten ist eng gefasst: Ohne eindeutige Beauftragung kein Nachteil für den Vertragspartner.
Klartext im Mietvertrag, nachvollziehbare Leistungen (wie Renovierung gegen Mietbefreiung) und dokumentierte Vermietungsprozesse sichern beide Seiten ab.
FAQ: Typische Fragen aus Mietrecht und Praxis
Wann ist ein Mietvertrag sittenwidrig und nichtig?
Nur wenn beide Seiten zum Nachteil des Vermieters bewusst zusammenwirken und der Mieter den Missbrauch der Vollmachten klar erkennt oder objektiv erkennen müsste.
Kann der Mieter die günstigen Konditionen behalten?
Ja, solange keine objektive Evidenz für Rechtsmissbrauch und keine aktive Kollusion vorliegt, bleibt es beim wirksamen Vertrag.
Was müssen Gesellschafter einer GmbH beachten?
Klare Innenanweisungen, Kontrolle des Geschäftsführers, schnelle Reaktion bei Verdacht auf Treuwidrigkeit und eine nachvollziehbare Dokumentation aller Vorgänge.
Fazit
Das BGH-Urteil schafft Rechtssicherheit bei ungewöhnlich günstigen Mietverträgen und dem Vorwurf kollusiven Verhaltens. Nur objektiv evidenter Missbrauch und nachweisbare Kenntnis führen zur Unwirksamkeit – die Rechte und Pflichten beim Abschluss von Mietverträgen werden so für Mieter wie für Vermieter klar definiert.