Rückabwicklung – Neue Maßstäbe für den Verwendungsersatz bei Grundstücksneubau

BGH-Urteil März 2025: Wertersatzpflicht (Verwendungsersatz) bei Neubau nach Rückabwicklung einer Zwangsversteigerung – alle Hintergründe zur neuen Definition von „Verwendung“, Anspruch auf Wertersatz und praxisrelevante Folgen für Eigentümer sowie Erwerber von Grundstücken.

Rechtsanwalt Juri Klein, LL.M.

7/19/20252 min lesen

a telephone pole with a blue sky in the background
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Mit Urteil vom 14. März 2025 (V ZR 153/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) für Klarheit bei der Rückabwicklung von Grundstückstransaktionen gesorgt, bei denen der ursprünglich erteilte Zuschlagsbeschluss aus der Zwangsversteigerung später aufgehoben wird und der Erwerber bereits grundlegende Veränderungen am Grundstück vorgenommen hat. Besonders praxisrelevant: Der BGH ändert seine Rechtsprechung und definiert den „Begriff der Verwendung“ bei baulichen Maßnahmen völlig neu.

Hintergrund: Was war passiert?

  • Ein Eigentümer verlor durch Zwangsversteigerung sein Grundstück, der Ersteher wurde im Grundbuch eingetragen.

  • Die neuen Eigentümer rissen ein bestehendes Wochenendhaus ab und errichteten ein großes Wohnhaus.

  • Nachträglich wurde der Zuschlagsbeschluss aufgehoben – das Eigentum ging wieder rückwirkend auf den ursprünglichen Eigentümer über.

  • Es kam zum Rechtsstreit über die Rückabwicklung: Muss der ursprüngliche Eigentümer das neue Wohnhaus dulden oder für dessen Wert aufkommen?

Kernaussagen des Urteils

Weit gefasster Verwendungsbegriff

  • Verwendungen umfassen auch grundlegende Veränderungen: Der BGH stellt klar, dass sämtliche baulichen Aufwendungen – auch der Neubau eines Hauses auf einem fremden Grundstück – als „Verwendung“ im Sinne des § 996 BGB gelten, unabhängig davon, ob sie die bisherige Zweckbestimmung ändern.

  • Bedeutung für Immobilienpraxis: Eigentümer könnten verpflichtet sein, für wertsteigernde Investitionen wie den Neubau eines Hauses nach einer Rückabwicklung Wertersatz zu leisten, selbst wenn sie diesen Bau nicht wünschen oder selbst nutzen würden.

Nützlichkeit nach objektiver Verkehrswertsteigerung

  • Objektive Wertsteigerung entscheidend: Ob eine Verwendung „nützlich“ ist, richtet sich ausschließlich nach der objektiven Verkehrswerterhöhung des Grundstücks, nicht nach den subjektiven Interessen des Eigentümers.

  • Begrenzung auf tatsächliche Aufwendungen: Der Ersatzanspruch ist auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten des Besitzers gedeckelt.

Kein Anspruch auf Beseitigung des Neubaus gegenüber gutgläubigem Besitzer

  • Beseitigungsausschluss: Der ursprüngliche Eigentümer kann vom gutgläubigen und unverklagten Besitzer nicht verlangen, dass dieser das neu errichtete Wohnhaus wieder beseitigt.

  • Ausnahme: Nur bei bösgläubigem oder verklagtem Besitzer ist eine Beseitigungspflicht möglich.

Weitere Klarstellungen

  • Rückabwicklung von Grundschulden: Auch die Frage, ob der vormalige Eigentümer die Löschung neuer Grundschulden verlangen kann, wurde abgelehnt, da hier der gutgläubige Erwerb durch Dritte (Banken) maßgeblich ist.

  • Nutzungsersatzanspruch: Der Alt-Eigentümer kann Anspruch auf Nutzungsersatz für den Zeitraum haben, in dem er (rückwirkend) als Eigentümer galt, die Nutzung aber einem anderen zustand.

FAQ zum Urteil

Was ist unter einer „Verwendung“ zu verstehen?
Ab sofort gilt alles als Verwendung, was dem Grundstück zugutekommt, auch wenn das Grundstück durch Baumaßnahmen grundlegend verändert wird.

Wann ist die Verwendung nützlich?
Sobald sie den objektiven Verkehrswert des Grundstücks steigert. Es kommt nicht darauf an, ob der neue Zustand im Interesse des Eigentümers liegt.

Kann der ursprüngliche Eigentümer den Neubau entfernen lassen?
Gegenüber gutgläubigen Besitzern: nein, nur ein Anspruch auf Wertersatz besteht.

Wie hoch kann der Wertersatz ausfallen?
Maximal in Höhe der vom Zwischenbesitzer tatsächlich erbrachten Aufwendungen, nicht der gesamten Wertsteigerung.

Welche Bedeutung hat das Urteil für die Praxis?

  • Investitionen in fremde Grundstücke sind besser abgesichert – der Eigentümer kann zur Zahlung verpflichtet sein.

  • Wer Grundstücke ersteigert, hat im Fall der Rückabwicklung einen Wertersatzanspruch – aber keinen Bestandsschutz des Gebäudes.

  • Redliche Erwerber brauchen keine Beseitigung teurer Neubauten zu befürchten.

Fazit

Der BGH festigt mit diesem Urteil den Interessenausgleich zwischen Eigentümer und Besitzer bei der Rückabwicklung komplexer Immobilientransaktionen. Eigentümer können nicht beliebig den Rückbau verlangen, sondern sind zum Wertersatz verpflichtet, sofern die Maßnahme objektiv wertsteigernd war. Für die Praxis bringt dies Rechtssicherheit, Modernisierung und Investitionen, auch bei späteren Eigentumsumschreibungen, werden kalkulierbarer und rechtlich besser abgesichert.